Kirche im WDR

Predigtreihe im öffentlichen Rundfunk gegen die Nichtgläubigen

Der Rundfunkstaatsvertrag sichert den beiden großen christlichen Kirchen Sendezeiten für Kurzandachten im öffentlichen Rundfunk zu. So gibt es auch in den WDR-Radiosendern morgens zu festen, aber unterschiedlichen Zeiten je Sender täglich von montags bis samstags die Sendung „Kirche im WDR“, in der katholische und evangelische Sprecher ihre Predigten unter das Volk bringen können. Im Jugendsender 1LIVE wird die speziell auf Jugendliche zugeschnittene Predigt allerdings zu wechselnden Sendezeiten ausgestrahlt. Hier setzt man wohl auf den Überraschungseffekt und hofft, dass die jungen Hörer nicht mitbekommen, dass dort plötzlich eine Kirchensendung läuft.

Vom 2. – 7. August lief in den WDR-Radiosendern (außer 1LIVE) eine Reihe von Morgenandachten des Aachener Domvikars Elmar Nass. Unter dem Motto „Mal angenommen, es gibt Gott“ erklärte er der Hörerschaft die Defizite des religionsfreien Menschen, der sich nicht an einen Gott bindet. Am Montag zum Beispiel, dass der Busse plakatierende Atheist kein Humanist sei, da er die Frage nach dem Menschsein nicht beantworten könne. Denn ein Mensch ist Mensch, wenn er Beerdigungsriten vollzieht – also an Übersinnliches glaubt -, sagt angeblich der Biologe. Am Dienstag erklärte Nass uns, dass nur der Gläubige schlüssig von der Unantastbarkeit der Menschenwürde sprechen könne. Nicht derjenige, der sich auf Vernunft und bloßes Recht und Gesetz bezieht. Am Mittwoch wusste der Sprecher, dass eine „gottlos gedachte Vernunft keine Orientierung“ für die Suche nach der Wahrheit gibt. Am Donnerstag erklärte der Domvikar uns Ungläubigen, dass nur der Glaubende in kritischen Situationen Verantwortung übernehmen könne, da er um Eingebung für die richtige Entscheidung zu Gott betet – z.B. wenn mal wieder ein Flugzeug in ein Hochhaus fliegt und die Frage besteht: abschießen oder nicht. Am Freitag erfuhren wir, dass nur der Glaubende seinem Gewissen trauen könne. Am Samstagmorgen dann, zu Beginn des Wochenendes, war die Zeit, mal wieder die Sinnfrage zu stellen. Und die – wen wundert’s – kann natürlich auch nur der glaubende Mensch, das Ebenbild Gottes, befriedigend beantworten.

Was erreichen diese Predigten? Uns rational denkende, religionsfreie Menschen zu überzeugen, dass es Gott doch gibt oder wir zumindest den Glauben an ihn brauchen? Wohl kaum. Christlichen Zuhörern zu vergewissern, dass sie die besseren Menschen seien, die sich von den Ungläubigen abgrenzen? Schon eher.

In der Predigt als Meinungsäußerung an sich sehe ich auch kein Problem. „Niemand erwartet von einer Predigt einen Tatsachenbericht“ meinte kürzlich der Verteidiger von Bischof Müller in der Gerichtsverhandlung zu einer diffamierenden und Lügen enthaltenden Predigt über das Kinderbuch „Wo bitte geht’s zu Gott?“ von Michael Schmidt-Salomon.  Meinungsfreiheit ist ein hohes Gut, dass auch wir in Anspruch nehmen.

Hier jedoch ist der Knackpunkt: Können wir dies in dieser privilegierten Form in Anspruch nehmen wie die Kirche? Bekommen säkulare Verbände im öffentlichen Rundfunk Sendezeiten zur Verfügung gestellt?

§ 42 des Rundfunkstaatsvertrages:

Sendezeit für Dritte

(1) Den Evangelischen Kirchen, der Katholischen Kirche und den Jüdischen Gemeinden sind auf Wunsch angemessene Sendezeiten zur Übertragung religiöser Sendungen einzuräumen; die Veranstalter können die Erstattung ihrer Selbstkosten verlangen.

Der letzte Halbsatz enthält das Wort „können„.

Die oben erwähnten Morgenandachten können bei Klick auf die Wochentage im Volltext nachgelesen werden.

Weitere Info: Privilegien der Kirchen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk

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